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Seelsorgeeinheit

Kanonistik

Der Begriff Seelsorge im CIC

Will man erheben, was der Gesetzgeber unter dem Begriff Seelsorge versteht, muss man sich darüber im Klaren sein, dass diese Überlegungen immer auf einen bestimmten Aufgabenbereich innerhalb des Aufgabenkreises eines kirchlichen Amts bezogen sind, der in verschiedene Kategorien eingeteilt werden kann. Nachdem diese grundsätzlichen Überlegungen vorgelegt worden sind, die auch durch den Begriff finis spiritualis in can. 145 § 1 bedingt sind, sollen die lateinischen Be­griffe benannt werden, unter denen der Gesetzgeber von Seelsorge schreibt. Schließlich wird dargestellt, warum es wichtig ist, den Begriff Seelsorge als ein apostolisches Werk und als einen Aufgabenbereich innerhalb des Aufgabenkreises in einem kirchlichen Amt so präzise wie möglich zu bestimmen. Die folgenden Darlegungen beruhen auf E. M. Morein, Officium 295-341 und 343 (schematische Darstellung).

 

Der Aufgabenbereich und das apostolische Werk Seelsorge

Wendet man die zweite vom Gesetzgeber in can. 17 vorgelegte Regel an, um angeben zu können, was der Gesetzgeber im CIC unter dem Begriff Seelsorge versteht, so benutzt er ihn zur Bezeichnung von Aufgaben aus dem Verkündigungs- und Heiligungsdienst, d. h. von Aufgaben aus den beiden kirchlichen Grundfunktionen Martyria und Leiturgia. Somit ist der Begriff Seelsorge im CIC eine Bezeichnung für einen Aufgabenbereich innerhalb des Aufgabenkreises eines Amts, der in zwei Teilaufgabenbereiche, nämlich Verkündigung und Heiligung, untergliedert werden kann.

Mit dem Teilaufgabenbereich Verkündigung verbindet der Gesetzgeber explizit die (umfassende) Verkündigung des Evangeliums Gottes, vgl. die cann. 757 und 771 § 2, mit dem Teilaufgabenbereich Heiligung die Überbringung der Wegzehrung für Kranke, vgl. can. 922, die Spendung der Beichte, vgl. can. 986 § 1 und die Spendung der Krankensalbung, vgl. can. 1003 § 2.

Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit der Verkündigung auf die rationale Glaubensbegründung und -vertiefung abzielt, mit der Liturgie auf die rituelle Glaubensvertiefung.

Weitere inhaltliche Aussage macht der Gesetzgeber nicht im Zusammenhang mit dem Begriff Seelsorge, will man in die übrigen Canones, in denen der Gesetzgeber den Begriff Seelsorge erwähnt, ohne eine inhaltliche Aussage zu machen, nicht sein eigenes Verständnis von Seelsorge hineininterpretieren, vgl. die cann. 151 und 463 § 1, 8°.

Formal bestimmt der Gesetzgeber die Seelsorge in den cann. 678 §1 und 738 § 2 als ein apostolisches Werk, das neben dem apostolischen Werk caritas, d. h. neben der kirchlichen Grundfunktion diakonia zu nennen ist.

Durch diese beiden apostolischen Werke lassen sich die wichtigsten Aufgaben des Aufgabenkreises eines officium ecclesiasticum in zwei Aufgabenbereiche einteilen, die nach dem Willen des lateinischen Gesetzgebers, d. h. gemäß der cann. 114 § 2 und 298 § 1 i. V. m. can. 145 § 1 in dem Begriff finis spiritualis gebündelt sind, durch den der Gesetzgeber eine grundlegende Kategorie der kirchlichen Amtsaufgaben vorgibt. Er zielt mit dem finis spiritualis einesteils auf die geistliche Dimension eines Christgläubigen ab, und zwar im Bereich Verkündigung und Heiligung, andernteils auf die irdische, nämlich im Bereich caritas, unter dem der Gesetzgeber das menschliche Leben in all seinen Facetten im Auge hat, so dass die Kirche immer auch für den Menschen unter rein irdischem Aspekt Sorge zu tragen hat.

Durch diese beiden Aufgabenbereiche oder durch diesen finis spiritualis gibt der Gesetzgeber das proprium eines Aufgabenkreises in der Kirche an, das auf der jeweiligen verfassungsrechtlichen Ebene konkretisiert werden kann, indem die meisten kodikarisch vorgegebenen Aufgaben, die etwa auf Diözesanebene erfüllt werden müssen, diesen beiden Aufgabenbereichen Seelsorge und caritas zugeordnet werden.

Generell kann im Kontext mit den apostolischen Werken, genauer vor dem Hintergrund der cann. 298 § 1 und 327 eine interessante christlich-anthropologische Sicht des Gesetzgebers zur Lebenswirklichkeit eines Christgläubigen erhoben werden, der als christlich glaubender Mensch dem ordo spiritualis angehört und als christlich glaubender Mensch dem ordo temporalis. Da beide apostolischen Werke Seelsorge und caritas gleichberechtigt nebeneinander stehen, bejaht der Gesetzgeber die Welt, in der der Christgläubige lebt, die es mit christlichem Geist zu durchdringen gilt. Angesichts dieser Rechtsbestimmung kann man auch sagen, dass der Gesetzgeber den Christgläubigen immer zunächst als Menschen sieht, denn gratia supponit naturam et perficit eam.

Des Weiteren muss klar erkannt werden, dass die missio Ecclesiae, die Sendung der Kirche, an der alle Christgläubigen gemäß can. 204 § 1 teilhaben, durch die Ausübung der Aufgaben verwirklicht wird, die der Gesetzgeber als apostolische Werke bezeichnet, die formal in dem Begriff finis spiritualis, d. h. als geistlicher Zweck, zusammengefasst sind.

 

Notwendige nicht kirchliche Aufgaben innerhalb eines Aufgabenkreises des officium ecclesiasticum

Gibt es einen finis spiritualis, so muss es auch einen finis non spiritualis geben, durch den die zweite Kategorie der Amtsaufgaben angegeben ist. Unter dieser Bezeichnung sind all die Aufgaben zusammengefasst, die im Hinblick auf den finis spiritualis auszuüben sind wie z. B. die Verwaltung von Immobilien oder des Haushalts, denn durch die Erfüllung dieser Aufgaben wird die Wahrnehmung der Aufgaben ermöglicht, die im finis spiritualis dargestellt sind. Aus diesem Grunde müssen auch in einem Aufgabenkreis eines kirchlichen Amts nicht geistliche Aufgaben ausgeübt und erfüllt werden.

Je nach Ansiedlung eines Amts mit seinem Aufgabenkreis auf der jeweiligen verfassungsrechtlichen Ebene können auf der Grundlage des CIC und / oder auf der Grundlage der konkreten Herausforderungen auf dieser verfassungsrechtlichen Ebene gewiss weitere Aufgabenbereiche benannt werden, die unter der Kategorie finis non spiritualis subsumiert werden können, zumal der Gesetzgeber im CIC nur Pflichtaufgaben festhält.

Da die Ausübung der Aufgaben aus der Kategorie finis spiritualis und finis non spiritualis zunächst von Stelleninhabern oder Amtsträgern wahrgenommen wird, und dies immer unter der Leitung des Inhabers der Leitenden Stelle im Amt geschieht, damit die missio Ecclesiae, auf die hin eine Körperschaft und somit auch der Aufgabenkreis des betreffenden Amts eingerichtet und errichtet sind, erreicht wird, steht die Personalführung an herausragender Stelle innerhalb des Aufgabenkreises, auch eines kirchlichen Amts.

 

Die lateinischen Begriffe für den Begriff Seelsorge

Der Gesetzgeber kennt drei lateinische Begriffe, um im CIC von Seelsorge sprechen zu können. Der wohl bekannteste Begriff, der schon im CIC von 1917 verwendet ist, ist der Begriff cura animarum. Er gilt als ein Begriff, der für die Teilaufgabenbereiche Verkündigung und Liturgie steht. Im Begriff plena cura animarum fasst der Gesetzgeber in can. 150 alle Aufgaben zusammen, die er mit dem jeweiligen Teilaufgabenbereich cura animarum verbindet. Der Aufgabenbereich Seelsorge im Aufgabenkreis eines kirchlichen Amts heißt im Lateinischen somit plena cura animarum.

Zur Ausübung mancher seelsorgerischen Aufgaben sind facultates aus der potestas ordinis und / oder potestas regiminis nötig, zum Halten der Homilie z. B. die facultas aus der potestas ordinis gemäß can. 767 § 1, als dessen Quellen u. a. Presbyterorum Ordinis 4 und Dei Verbum 24 angegeben sind, so dass diese Rechtsbestimmung auf theologisch-dogmatische Überlegungen zurück gehen dürfte. Zur Spendung des Bußsakraments ist eine facultas aus der potestas ordinis und regiminis, vgl. die cann. 965, 966 und 144 § 2 erforderlich.

 

Schließlich hat der Gesetzgeber den konziliaren Begriff cura pastoralis in das Gesetzbuch übernommen, der in der Kanonistik als Synonym zum Begriff plena cura animarum verstanden wird. Der Gesetzgeber unterscheidet in eine cura pastoralis ordinaria und folglich auch in eine cura pastoralis extraordinaria. Erstere wird auf der Ebene einer Körperschaft ausgeübt, letztere ist im Zuständigkeitsbereich der DBK unter dem Begriff Sonderseelsorge bekannt, denn diese Menschen, denen gegenüber die Sonderseelsorge ausgeübt wird, haben durch bestimmte Lebensumstände nicht die Möglichkeit, an der ordentlichen Seelsorge teilzuhaben (Matrosen, Gefängnisinsassen, etc.). Leider jedoch hält der Gesetzgeber diese Unterscheidung nur in den seltensten Fällen in der Gesetzgebung ein und spricht wie etwa in den cann. 515 § 1 und 517 von der cura pastoralis, meint aber die cura pastoralis ordinaria, da diese cura pastoralis auf die Mitglieder bezogen ist, die in einer Körperschaft wohnen.

In can. 150 und somit in den Allgemeinen Normen har der Gesetzgeber folglich sowohl die cura pastoralis ordinaria als auch die cura pastoralis extraordinaria im Blick.

 

Relevanz dieser Überlegungen

Seelsorge ist ein apostolisches Werk und ein Aufgabenbereich innerhalb des Aufgabenkreises eines kirchlichen Amts. Durch die Ausübung der mit diesem Aufgabenbereich verbundenen Aufgaben aus dem Teilaufgabenbereich Verkündigung oder Heiligung will der Gesetzgeber, dass der Christgläubige in seinem geistlichen Leben, d. h. in seinem Leben mit Gott, nicht nur gestärkt wird, sondern sich auch veranlasst sieht, die Welt dort mit christlichem Geist immer mehr zu durchdringen, wo er lebt.

Vor diesem Hintergrund kommt der durch einen Stelleninhaber ausgeübten Seelsorge eine große Bedeutung auch im Hinblick auf die missio Ecclesiae zu. Sie gehört neben der Caritas, die der Gesetzgeber auch als munus regendi / regalis bezeichnet, zu den Kernaufgaben der Kirche, denn diese beiden Aufgabenbereiche sind apostolische Werke. Durch diese beiden Aufgabenbereiche im Aufgabenkreis des Amts, das für eine kirchliche Körperschaft eingerichtet und errichtet wird, wird das Amt zu einem officium ecclesiasticum.

Als Träger der Seelsorge, die den Mitgliedern einer kirchlichen Körperschaft gegenüber ausgeübt werden, kommen alle Christen in Betracht, die Stelleninhaber einesteils, deren tria munera gemäß can. 519 munus docendi, sanctificandi und regendi lauten, und die in der Kirche ehrenamtlich Tätigen andernteils, deren tria munera kraft Taufe gemäß can. 204 § 1 munus sacerdotalis, prophetici und regalis heißen. Der Gesetzgeber hat folglich verschiedene lateinische Begriffe für dieselben (Teil)Aufgaben­bereiche aufgrund verschiedener Zugänge zu den Amtsaufgaben, die im finis spiritualis gebündelt sind.

Selbstredend können nicht alle Amtsaufgaben aus dem Bereich Seelsorge ehrenamtlich ausgeübt werden. Genau auf diesen Umstand will der Gesetzgeber mit der Bezeichnung munus docendi, sanctificandi und regendi für die Stelleninhaber und mit den Begriffen munus prophetici, sacerdotalis und regalis für die z. B. in einer Gemeinde ehrenamtlich Tätigen abheben. In den Begriffen munus prophetici, sacer­do­talis und regalis sind alle Amtsaufgaben zusammengefasst, die von jedem Christ­gläubigen ausgeübt werden können. Folglich muss ganz klar erkannt werden, dass ein Christgläubiger, der kein Stelleninhaber in einem kirchlichen Amt ist, zwar innerhalb der Kirche ehrenamtlich im Aufgabenbereich Seelsorge tätig sein kann, vornehmlich aber die Welt mit christlichem Geist beseelen und dort eben so seelsorgerisch tätig sein soll, wozu er durch die Stelleninhaber immerzu angeleitet werden sollte. Der Verkündigung und der Liturgie kommen somit eine wichtige Dimension zu.

 

Die Relevanz dieser präzis-kodikarischen Bestimmung des Begriffs Seelsorge erkennt jeder, der sich mit can. 517 § 2 auseinander setzt. Der Gesetzgeber legt in ihm fest, dass der Aufgabenbereich Seelsorge innerhalb des gesamten Aufgabenkreises eines Pfarramts von einem Priester (der Gesetzgeber verwendet nicht den Begriff Pfarrer) zu leiten ist. Demnach können, was der Gesetzgeber expressis verbis nicht schreibt, aber inkludiert meint, alle anderen Aufgabenbereiche im Aufgabenkreis eines kirchlichen Amts von einem Nicht-Priester so geleitet werden, dass er für diese die sog. Letztverantwortung hat. Diese Erkenntnisse sind auch für die Auseinandersetzung mit can. 526 § 1 wichtig.

Beide Rechtsfiguren, can. 517 § 2 und can. 526 § 1, können aufgrund dieser rechtssprachlich begründeten kodikarischen Lesart in der Praxis völlig anders ausgestaltet werden, als dies in der kanonistischen Literatur gegenwärtig geschieht, vgl. hierzu meinen Beitrag im Lehrbuch von R. Puza, das in Bälde in dritter Auflage erscheint.

Nebenbei sei bemerkt: Geht man von all diesen kodikarischen Erkenntnissen aus, ist der Begriff Seelsorge umgangssprachlich offensichtlich anders verwendet. Hier werden insbesondere die karitativen Tätigkeiten, das Zuhören, wenn jemand von einem Problem erzählt, das Einfühlen in die Situation des anderen, und dergleichen mehr als Seelsorge bezeichnet. Der Gesetzgeber bezieht den Begriff anima aber nur auf den geistlichen, nicht auf den rein menschlichen Bereich eines christgläubigen Menschen.